Am 2. Mai werden den Schülerinnen und Schülern in Bayern die Übertrittszeugnisse überreicht. An diesem Tag, so behauptet das bayerische Schulsystem, stehe fest, welches Kind welche Begabungen habe. Ferner wird behauptet, jedes Kind bekomme im Anschluss ein „passgenaues Angebot“ für den weiteren Bildungsweg.
Doch man weiß nicht erst seit gestern, dass bei Kindern in diesem jungen Alter die Begabungen und somit auch die Passgenauigkeit eines Anschlusses noch gar nicht festgestellt werden können, weil sie aufgrund individueller und herkunftsbedingter Bedürfnisse mehr Zeit für ihre Entwicklung benötigen.
Das System behauptet nicht nur, bis zum Ende der vierten Klasse die Eignung für den späteren Weg festgestellt zu haben, sondern auch, dass dies durch eine objektive, faire und vergleichbare Leistungsmessung geschehen sei.
Doch dass Noten weder objektiv noch vergleichbar und somit auch nicht fair sind, belegen zahlreiche Studien, die sich während der schulpolitischen Kapriolen in der Pandemie ganz offensichtlich bestätigt haben.
Der Übertritt und alles, was zu ihm hinführt, verursacht in den meisten Familien Streit und Stress. Er setzt Kinder unter Druck und hemmt dadurch ihr Lernen. Er benachteiligt Schülerinnen und Schüler, die zuhause wenig Unterstützung bekommen, weil ihre Eltern arm sind, nicht gut Deutsch sprechen oder selbst wenig Bildung haben. Das wurde schon vielfach und wird immer wieder in Bildungsuntersuchungen festgestellt.
„Der Übertritt ist die Sollbruchstelle des Bayerischen Bildungssystems“, resümiert Bündnissprecherin Christine Lindner.
„Die angebliche Passgenauigkeit der Schularten entpuppt sich als Bevormundung und Beschneidung von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten. Angesichts der Verschiedenheit der Kinder und ihrer Bedürfnisse brauchen wir auch in Bayern dringend die Gemeinschaftsschule,“ fügt Co-Sprecher Dr. Gerald Klenk hinzu. Diese Schulart sei per se inklusiv, sofern sie auf individuell unterschiedliche Lernprozesse setze statt auf vorgeblich objektive Noten und Sitzenbleiben. Nach 12 Jahren mit überschaubarem Erfolg bei der Inklusion sei es höchste Zeit, dem selektierenden Schulsystem eine solche Schulart hinzuzufügen.