Bericht zur Fachtagung „Gemeinsam in Vielfalt lernen“ am 15. Februar 2025 in Dachau
Das Bündnis Gemeinschaftsschule Bayern lädt Sie schon heute herzlich zur seiner Fachtagung „Gemeinsam in Vielfalt lernen“ am 15. Februar 2025 in Dachau ein.
Trotz etlicher grippebedingter Absagen erfreute sich die Fachtagung „Gemeinsam in Vielfalt lernen“ des Bündnisses Gemeinschaftsschule Bayern guter Nachfrage. Mehr als 100 höchst interessierten Besucher*innen kamen aus dem ganzen Bundesgebiet, bis hinauf nach Schleswig-Holstein. Dagegen waren die Vertreter*innen der bayerischen Staatsregierung und des Kultusministeriums trotz mehrfacher Einladung dieser Tagung ferngeblieben.
Inklusion kennt keine Auswahl
Im modernen und hellen Schulhaus der Montessorischule Dachau eröffnete Prof. em. Hans Wocken die Tagung mit seiner Keynote „Inklusionsreform in Bayern – Eine kritische wissenschaftliche Bilanz“. Pointiert stellte er die bayerische Fehlentwicklung dar. Inklusion bedeute: weniger Schüler*innen an Förderschulen und mehr davon an allgemeinen Schulen. Wocken zeigte anhand von sorgfältig recherchierten Zahlen, dass der Anstieg von Inklusionsschüler*innen in Bayern nur durch zusätzlich generierten Förderbedarf und eine Steigerung der Förderquote erfüllt wird, während die Förderschulen seit 2011 gleichbleibende Schülerzahlen aufweisen. Scharf kritisierte Wocken zudem, dass für die inklusive Beschulung die fittesten Schüler ausgewählt würden. Inklusion kenne per se keine Auswahl!
Den Frontalunterricht abschaffen
Im Anschluss widmete sich eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Warum die Gemeinschaftsschule zukunftsweisend ist“ den pädagogischen Fragen des gemeinsamen Lernens. Konstanze von Unold (Bayerischer Grundschulverband), Prof. Hans Wocken, Stefan Ruppaner (ehem. Schulleiter der Alemannenschule Wutöschingen), Dr. Michael Kirch (LMU München), Vanessa Hartmann (Familientreff Inklusion / Medienwerkstatt Franken e.V.) und Engelbert Schmidt (Aktion Humane Schule e.V.) waren sich darin einig, dass die wissenschaftlich gesicherte Überlegenheit gemeinsamen Lernens in freien Settings und die unzureichende Wirkung des traditionellen Frontalunterrichts allgemein bekannt seien. „Hört auf zu unterrichten und geht zum Lernen über“, forderte Stefan Ruppaner, dies verschaffe den Lehrkräften Zeit für Lernbegleitung in selbstorganisierten Lernformen. Wie sich bestehende Freiheiten trotz struktureller Einschränkungen nutzen lassen, war dann auch Gegenstand der engagierten Diskussion.
47.000 Unterschriften für eine Schule ohne Angst
Vor der Mittagspause präsentierte Schülerin Amelie die von ihr auf den Weg gebrachte Petition zur Abschaffung unangekündigter Leistungstests, die bereits fast 48.000 Unterschriften gesammelt hat und demnächst dem Landtag übergeben wird. Angst vor „Überfällen“ in Form von Tests dürfe in der Schule keinen Platz mehr haben. Die Aktion wird mit einer Demo unterstützt.
Schule als Barriere zur Welt
Tim Wiegelmann, der sich als Bildungsrebell bezeichnet, eröffnete den nachmittäglichen Teil der Tagung mit seinen Gedanken über eine menschenwürdige Schule. Anhand seiner persönlichen Betroffenheit als körperbehinderter Mensch stellte er die Unveränderlichkeit individueller Voraussetzungen der Veränderbarkeit schulischer Bedingungen gegenüber. Diese seien aber starr und verhinderten Chancen: „Schule muss den Schüler*innen Verbindungen zur Welt eröffnen,“ so sein Credo. In der Realität aber bilde sie eine Barriere.
Tiefgreifende Reform fällig
Auf dem zweiten Podium machten sich sodann Nicole Gohlke (MdB für DIE LINKE), Stefan Ruppaner (s. o.), Richard Freis und Dominik Streher (beide vom LSR / Landesschülerrat Bayern), Martina Borgendale (GEW), Florian Kraus (Stadtschulrat in München) und Agnieszka Dinnebier (Kunterbunte Inklusion e.V.) Gedanken über folgende Frage: „Wie setzen wir die Gemeinschaftsschule in Bayern um?“
Souverän wiederum moderiert von Klaus Wenzel, Ehrenpräsident des BLLV, kristallisierten sich hier alsbald die Fragen nach finanziellen und personalen Ressourcen und der Haltung des Lehrpersonals heraus. Eine Reform des Schulwesens sei in Bayern überfällig, scheitere aber am Willen der Staatsregierung und der Bildungsverwaltung, deren eingeschränkte Diskussionsbereitschaft auch die Schüler*innenvertreter beklagten. Als „inoffizieller“ Weg wurde empfohlen, die Reformen über Organisationen und Strukturen der Zivilgesellschaft (Stammtische, Migrationsbeiräte, …) einzufordern und im Kleinen anzufangen.
Fazit
Die Tagung und ihre engagierten Protagonisten zeigten anhand der gegenwärtigen pädagogischen, rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen die Notwendigkeit und den starken Wunsch, das bayerische Schulsystem ins 21. Jahrhundert zu befördern. Nicht nur das veranstaltende Bündnis, auch die leidenschaftlich diskutierenden Gäste werden den Weg dorthin weiter zielstrebig beschreiten und nicht lockerlassen.