Bayerische Bildungspolitik behindert Fortschritt – Ideologie statt Wissenschaft
Zum Schuljahresende trennen sich wieder die Wege der bayerischen Viertklässler. Emil und Yusuf, bis jetzt Banknachbarn, besuchen künftig verschiedene Schularten. Emil wird ein Gymnasium besuchen, Yusuf eine Mittelschule. Emils Eltern sind wohlhabend und gebildet, Yusufs Mutter alleinerziehend und arm.
Schon lange kritisiert die Bildungsforschung, dass diese herkunftsbegründete „Kanalisierung“ der Kinder die Bildungs- und Aufstiegschancen von Schüler*innen aus benachteiligten Familien schmälert und die gesellschaftliche Spaltung zementiert. Der renommierte Bildungsforscher John Hattie bezeichnete gar das deutsche System als „das ungerechteste Schulsystem, das ich kenne„.
Bayern, das seine Kinder ausnahmslos nach der vierten Klasse auseinander sortiert, liegt im Ranking der Ungerechtigkeit ganz vorne. Das geschieht wider besseres Wissen, denn die Gültigkeit der evidenzbasierten Wissenschaft macht an einem blauweißen Schlagbaum nicht halt.
Abkehr von der Wissenschaft setzt Zukunft aufs Spiel
„Die Bayerische Landespolitik wirft anders Denkenden laufend ‚Ideologie‘ vor“, kritisiert Dr. Gerald Klenk, Sprecher des Bündnisses Gemeinschaftsschule Bayern. „Im Schulbereich aber betreibt sie diese selbst. Bayern ist auf diesem Gebiet wissenschaftsfeindlich!“ Die Zukunft dürfe nicht von einer rückwärtsgewandten Politik aufs Spiel gesetzt werden. Auch in Bayern habe das Bildungsniveau alarmierend nachgegeben.
Neue Empfehlungen für eine veränderte Lern- und Prüfungskultur
Forschungsergebnisse, die die bayerische Bildungspolitik seit Jahren unwirsch beiseite wischt, werden brandaktuell von den „Empfehlungen für eine veränderte Lern- und Prüfungskultur“ einer von der Bertelsmann-Stiftung initiierten Expert*innengruppe bestätigt: „… Zugleich sollte sich schulisches Lernen darauf ausrichten, alle Kinder und Jugendlichen zu maximaler Potenzialentfaltung anzuleiten und ihnen ihr individuelles Bildungsmaximum zu ermöglichen … Und vor allem brauchen wir bei jedem Schritt ein bedingungslos auf gemeinsames Lernen und Entwicklung ausgerichtetes Mindset aller schulischen Akteure mit dem Ziel, allen Heranwachsenden bestmöglichen Lern- und Entwicklungserfolg zu gewähren.
„Diese Erkenntnisse sind alles andere als neu, wir müssen sie nun endlich einlösen“, so Co-Bündnissprecherin Christine Lindner. „Langes gemeinsames Lernen ist der strukturelle Königsweg für gerechter verteilte Chancen. Dringend brauchen wir auch in Bayern die Gemeinschaftsschule, wenigstens als zusätzliches Angebot. Hier kann chancengerechtes, gemeinsames und individuelles Lernen mit einer motivierenden Prüfungskultur verbunden werden. Dabei geht es weder um Kuschelpädagogik noch um das Abitur für alle, wie uns oft unterstellt wird. Allein schon, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, brauchen wir schlicht maximale Bildungschancen für jedes Kind!“